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Adventskonzert 2006

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Musik führt in eine vollkommene Welt

RAVENSBURG – Das Oberschwäbische Kammerorchester unter Michael Wieder überraschte mit seinem Weihnachtskonzert das Publikum. Gut 400 Hörer füllten den Schwörsaal. Aus dem weihnachtlichen Markttreiben der Stadt heraus hat das bereits 1968 gegründete Amateurorchester sie in eine vollkommene Welt geleitet.

Von Marianne Blöchinger

Ein ganz ungewöhnlicher Einstieg in ein Weihnachtskonzert waren die »Trois Petites Pièces Montées« von Erik Satie. Sie stellen die Riesen Gargantua und Pantagruel des gleichnamigen satirisch-humoristischen Romans des 16. Jahrhunderts vor das innere Auge, eine Lanze für geistige Freiheit und Lebenslust. Mit der filigran gewirkten Komposition von 1920 zeigten die Instrumentalisten ihr solistisches Können. Der überraschende Einstieg diente als Hinweis auf die demnächst stattfindende Satie-Hommage zum 20-Jährigen der Gesellschaft für neue Musik und war Programmpunkt einer Durchführung künstlerischer Freiheit.

Im Konzert für Fagott und Orchester B-Dur, KV 191, von Wolfgang Amadeus Mozart stellt sich das Genie in den Dienst des gesellschaftlichen Glanzes. Der Kobold und Gnom unter den Instrumenten darf von den höchsten bis zu den ganz tiefen Tonlagen träumen, tanzen, lachen, um das Publikum mit seiner Virtuosität zu beeindrucken. Das Orchester dient vor allem als Rahmen für das Soloinstrument. Hanno Dönneweg spielte vollkommen wendig, weich, mit einer für das große Holzblasinstrument ungewöhnlichen Zartheit. Dönneweg steigerte sein Klangvolumen im zweiten Satz und fand im Rondo, dem Schluss-Satz, zu einer Einheit mit dem Orchester.

Für den starken Applaus bedankten die Musiker sich mit einem schimmernden Gewebe: einer Aria der 1950er Jahre von Eugène Bozza, ursprünglich für Saxofon und Klavier in Töne gesetzt. Das lange, schräg aufragende Fagott ist selten als Soloinstrument zu sehen. »Das würde ich gern ändern«, sagte der 1977 geborene Hanno Dönneweg in der Pause, und Schalk blitzte in seinen Augen.

Erwartungen durchbrochen

Die tiefen Streicher setzten ernst, selbstbewusst mit dem abfallenden Motiv ein: »Die Unvollendete« von Franz Schubert, 1822 entstanden. Das insgesamt saubere Spiel wurde nie altmeisterlich glatt. Zu ruhe-, ja rüchsichtslos war das gewählte Tempo. Hör-Erwartungen wurden durchbrochen. Keine Landschaften entstanden, in denen es sich zwischen fröhlichem Drehen und Sehnsucht wandern ließe. Die Schicksalsschläge des Blechs verbreiteten keine romantischen Schauer, sondern Sorgen, die Welt möge aus den Fugen geraten. Michael Wieder trieb die kontrastreiche, nur zweisätzige Sinfonie im Allegro moderato ins Explodieren. Eine ruhelose Spannung, die im Andante nur wenig absank, zog sich durch.

Bei aller Gestaltungsfreiheit hielten Michael Wieder und sein Oberschwäbisches Kammerorchester doch an der guten Gewohnheit fest. Nach einem Walzer als Zugabe sangen alle zusammen, Publikum und Orchester, das Adventslied »O Heiland reiß die Himmel auf«.


Schwäbische Zeitung vom 23.12.2006